Beschneidungsdebatte: Politische Glanzleistung erster Güte

Dieser gelungene Artikel bei heise „Auch Kleinkinder haben ein recht auf Beschneidung“ motivierte mich kürzlich zu folgendem, etwas längeren Kommentar. Es musste etwas Dampf abgelassen werden.

Kommentar zur Beschneidungsdebatte

Religion an sich ist ja schon Schwachsinn genug, die eine mehr, die andere noch mehr. Dass jetzt aber zur Legalisierung abstruser, archaischer Riten auch noch Recht und (Grund-)Gesetz verbogen werden sollen, ist zum Haare raufen! Unser Bundestag hat da ganz offensichtlich seine Prioritäten nicht im Lot. Rechtsstaat geht vor jeglicher Religion – da bedarf es keiner Ausnahme! Sonst können wir auch gleich wieder Menschenopfer für bessere Ernten einführen. Und wenn wir schon dabei sind, Hexenverbrennungen und Exorzismen gleich mit.

Sämtliche Kommentare im Sinne, dass das natürlich etwas völlig anderes sei, bitte gleich für sich behalten. Der Unterschied ist lediglich quantitativ und nicht qualitativ. Beschneidung, Hexenverbrennung, Steinigungen, Menschenopfer, … immer das gleiche Schema. Religion maßt sich an, die körperliche Unversehrtheit von Menschen gegen deren Willen zu verletzen. Dieses Recht räumt sich hierzulande der Staat noch nicht einmal selbst ein!

Und das ebenfalls häufig gebrauchte Gegenargument, woher ich wissen möchte, dass der Säugling gegen seinen Willen beschnitten wird, bitte auch gleich vergessen. Solange er nicht aktiv zustimmen kann, hat da nichts rumgeschnitten zu werden. Sonst könnte auch jeder Mörder, der sein Opfer im Schlaf überrascht behaupten, das Opfer hätte ja nichts dagegen gehabt. Hat ja schließlich nicht gesagt, dass es nicht ermordet werden möchte, das schlafende Opfer!

Natürlich will jede Religion den Nachwuchs frühest möglich integrieren. Klar, da sitzt einfach die Indoktrination besser. Nur darf auch Religion kein rechtsfreier Raum sein, sondern hat sich da unterzuordnen, wo Grundrechte verletzt werden.

Wie diese hirnfreien, angeblichen Rechtsexperten zu einem anderen Urteil kommen können, ist mir schleierhaft. Das Grundgesetz liest sich da sehr eindeutig. Auszug gefällig?

GG §1 Abs 1: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. – Das schließt körperliche Unversehrtheit mit ein.

GG §2 Abs 1: Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. – Hier endet sowohl die Ausübung der ansonsten zugesicherten eigenen Religionsfreiheit als auch die Ausübung von elterlicher Gewalt gegenüber den Kindern.

Diskussions- und Interpretationsspielraum? Ich sehe keinen! Der eigentliche Skandal ist meines Erachtens, dass man im aufgeklärten Deutschland des 21. Jahrhunderts noch solche lächerlichen Debatten mit Religionsfanatikern führen muss, und dass diese perverse Praxis hierzulande so lange ungestört ausgeübt wurde.

Wieso wird der Verfassungsschutz bei solchen Gesetzesvorlagen eigentlich nicht mal aktiv und buchtet ein paar von unseren hirnverbrannten Abgeordneten ein? Dann würde er zur Abwechslung mal seinem Namen  wirklich gerecht werden und tatsächlich die Verfassung schützen!