Maßnahmenkatalog für die Bundesregierung nach den NSA-Enthüllungen

Täglich erfahren wir neue Details über die elektronische Totalüberwachung unseres Landes und die vollständige Erosion unserer Privatsphäre. Unsere Regierung verharrt in Lethargie, spielt auf Zeit und schiebt den Schwarzen Peter im Kreis herum. Es ist klar, dass wir uns von diesem Marionettentheater keinerlei Abhilfe versprechen dürfen.

Nichtsdestotrotz möchte ich hier den Versuch machen, einige durchgreifende Maßnahmen gegen unsere Totalüberwachung und die Verletzung unserer Grundrechte zusammenzustellen. Eine Art TODO-Liste für unsere Regierung, anhand deren Abarbeitung man den ernsthaften Willen zu einer nachhaltigen Verbesserung der Situation festmachen könnte.

Maßnahmen auf EU-Ebene

Nicht nur Deutschland, sondern auch der Rest Europas, ist von US-Spähprogrammen betroffen. Die schon bei ihrer Einführung fragwürdigen Programme auf EU-Ebene wie die Weitergabe von SWIFT– und Fluggastdaten sollten umgehend beendet werden. Falls überhaupt eine Überwachung dieser Daten erforderlich sein sollte, hat dies bestenfalls durch EU-Behörden zu erfolgen. Vollständiger US-Zugriff auf solch essenzielle Daten unterstreicht lediglich den Vasallencharakter Europas gegenüber den USA. Hier ist dringend eine Emanzipation erforderlich. Freundschaft auf Augenhöhe gerne, Partnerschaft dritter Klasse und blindes Vasallentum, nein Danke!

Direkte Maßnahmen gegen ausländische Spionage

Unser Land hat ein aktives Interesse daran, sowohl Wirtschaftsspionage, als auch die Ausspähung unser aller Privatsphäre zu unterbinden. Whistleblower, die derartige Aktivitäten aufdecken und somit unseren ureigensten Interessen dienen, sollte jeder mögliche Schutz und Hilfe gewährt werden. Dazu wäre eine eindeutige Asylregelung und Zeugenschutzprogramme erforderlich. Des weiteren wäre auch über finanzielle Anreizprogramme nachzudenken. Für Steuer-CDs wurden schließlich auch schon Millionenbeträge bezahlt.

Ein absolutes Unding ist auch die aktive Schützenhilfe, die ausländischen Geheimdiensten bei der Ausspähung unserer Daten geleistet wurde. Programme wie Echelon und andere bekannte Abhöreinrichtungen (Dagger Complex) dürfen in unserem Land keinen Platz haben. Solche Einrichtungen sind umgehend zu schließen und einzuebnen. Generell ist zu hinterfragen, wieso heute noch US-Stützpunkte in Deutschland erforderlich sind. Betreibt die Bundeswehr im großen Stil Stützpunkte in den USA? Auch hier ist eine Emanzipation erforderlich, in deren Zuge sämtliche US-Stützpunkte in Deutschland mittelfristig geschlossen werden sollten. Bis zur endgültigen Schließung sollte der Datenverkehr dieser Einrichtungen genau überwacht werden, so dass eine großangelegte Datenabschöpfung ausgehend von diesen Einrichtungen ausgeschlossen werden kann.

Innerdeutsche gesetzgeberische Maßnahmen

Ähnlich repressiv und umfassend, wie die US-Regierung auf Kommunikationsfirmen einwirkt, um heimlich Daten abzugreifen (Telekomvertrag), gilt es Gesetze zu schaffen, die eben diese Einwirkung und Ausleitung von Daten unterbinden. Ebenso wie die US-Behörden drakonische Maßnahmen androhen, und bei Zuwiderhandlung von „nicht wieder gutzumachenden Schäden“, also unbegrenzt hohen Schadensersatzsummen ausgehen, sollte der Maßnahmenkatalog gegen Firmen, die Beihilfe zur Spionage leisten, drastisch ausfallen. Den verantwortlichen Entscheidern müssen langjährige Haftstrafen, den Firmen und Eignern die Schließung und die Verstaatlichung drohen. Bei Selbstanzeigen mag eine Kronzeugenregelung möglich sein. Wenn dadurch europäischen TK-Firmen der Zugang zum US-Markt verwehrt werden sollte – dann ist dies ein verschmerzliches Übel.

Zusätzlich gilt es auch, die möglichen Abfangpunkte für ausländische Geheimdienste gesetzgeberisch zu reduzieren. Innerdeutscher Datenverkehr darf nicht unnötig über ausländische Knoten geroutet werden. Solche Regelungen scheinen in den USA bereits an der Tagesordnung zu sein, siehe Telekomvertrag, dort allerdings nicht zum Schutz, sondern zur totalen Überwachung der Daten. Technisch stellt ein rein inländisches Routing also keinerlei Problem dar.

Unternehmen sollten auch zur Datenhaltung und -verarbeitung innerhalb Deutschlands angehalten werden. Potenzielle Mehrkosten sind dabei in erster Linie als verschmerzbares Übel und in zweiter Linie als Standortförderung zu betrachten.

Anonyme und verschlüsselte Kommunikation ist vom Gesetzgeber generell zu begrüßen und zu fördern. SIM-Karten auf Prepaid-Basis sollten anonym zu erwerben sein, anonyme Interneteinwahl in öffentliche Netze muss möglich sein, Störerhaftung für Gastwirte ist abzuschaffen und DE-Mail sollte echte End-zu-End-Verschlüsselung erhalten. Das betreiben offener WLAN-Hotspots könnte finanziell gefördert werden. Kommerzielle Internetdienste sollten generell nur verschlüsselt erreichbar sein, HTTPS statt HTTP etc., um pauschale Rasterfahndung in unserer Kommunikation unmöglich zu machen. Dabei ist langfristig auch ein Ersatz des bisherigen Zertifikatsystems zur weiteren Reduktion der geheimdienstlichen Angriffsfläche nötig. Allein diese nahezu kostenneutralen Maßnahmen erschweren die Datenausspähung drastisch.

Konsequenzen aus dem institutionellen Versagen

Je mehr Details des Skandals ans Licht kommen, desto klarer wird, dass hier nicht nur einzelne Personen oder Einrichtungen ihre Kompetenzen überschritten, sondern dass ein umfassendes Systemversagen über mehrere Kontrollinstanzen hinweg vorliegt. Abteilungen des BNDs brechen aktiv das Grundgesetz, der BND-Chef betreibt Lobbyarbeit gegen Grundgesetze, der Geheimdienstkoordinator schaut weg und nickt fleißig, der Innenminister erfindet das Supergrundrecht und die Kanzlerin will von allem nichts gewusst haben. Das System hat sich im Dünkel der Geheimniskrämerei bereits weitgehend verselbständigt und sich demokratischer Kontrolle entzogen. Das Problem existiert auch nicht erst seit Merkel & Friedrich. Kanther, Schily, Schäuble, de Maiziere – alle zusammen astreine Law-and-Order-Verfechter, die ihre Hauptaufgabe darin sahen, das Volk mit völlig überzogenen Terrorismusängsten zu verunsichern und bei jeder sich bietenden Gelegenheit neue Überwachungsgesetze durchzudrücken. Das Supergrundrecht hätte gut und gerne jeder einzelne von ihnen erfinden können.

Um solche Missstände zukünftig zu vermeiden, bedarf es zunächst der Erkenntnis, dass Verbrechensaufklärung nicht auf Kosten von Grundrechten gehen darf und der Zweck nicht die Mittel heiligt. Wir brauchen viel größere Transparenz in der Sicherheitspolitik und ein radikales Zurückstutzen des Geheimdienstwesens. Der offensichtlich völlig an seiner eigentlichen Aufgabe vorbei agierende Verfassungsschutz kann ersatzlos aufgelöst werden. Beim BND müssten sämtliche oberen Führungsebenen komplett ausgetauscht und alle pauschal überwachenden Abteilungen aufgelöst werden. Automatische Datenweitergabe zu anderen Geheimdiensten ist explizit unter Strafe zu stellen. Über eine direktere Kontrolle der Geheimdienste durch das Volk als Souverän ist nachzudenken. Und natürlich ist auch ein solch geistig tieffliegender Innenminister keinesfalls weiter tragbar.

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht unter Politik. Lesezeichen für Permalink hinzufügen.