Der Spruch „Keine Waffen in Kriegsgebiete“ ist vermutlich so alt wie die Friedenstaube. Oder zumindest so alt, wie die jüngere Geschichte der „Friedensbewegung“ seit dem Vietnamkrieg. Wie kann man das auch nicht wollen, Frieden für alle? Freude und Eierkuchen am besten auch gleich noch mit. Es wäre so schön, wenn es doch so einfach wäre!
Wie so oft ist „gut gemeint“ oder „gut gewollt“ jedoch nicht gleich „gut gemacht“. Denn die eingangs genannte zentrale und ständig wiederholte Kernforderung „Keine Waffen in Kriegsgebiete“ krankt gleich an mehreren Vereinfachungen. Erstens unterscheidet sie nicht zwischen Angreifer und Verteidiger. Und zweitens vergisst sie, dass sich in einem Kriegsgebiet logischerweise bereits Waffen befinden, mit denen Mord und Totschlag passieren.
Die Logik des Krieges
Eine notwendige Voraussetzung für einen Krieg ist es, dass der Angreifer sich realistische Erfolgs- und Siegchancen ausrechnet. Dies ist genau dann der Fall, wenn er militärisch überlegen ist oder sich dies zumindest einbildet. Würde er mit einer Niederlage rechnen, bliebe er besser zuhause, würde sich um weitere Aufrüstung bemühen und einen Krieg zu einem geeigneteren Zeitpunkt beginnen. Ein Angreifer ist dem Verteidiger in der Regel also militärisch überlegen, sofern er sich bezüglich seiner Fähigkeiten oder der des Verteidigers nicht vollends verkalkuliert haben sollte. Dies gilt ganz unabhängig davon, wie man zu einem Krieg selbst steht, ob man ihn für gerechtfertigt hält oder nicht.
Wenn dem Angreifer niemand in die Suppe spuckt, kann er seinen Angriff mit großer Erfolgswahrscheinlichkeit durchführen. Mit all den „hässlichen Nebeneffekten“, die so ein Angriffskrieg und eine daraus resultierende feindliche Besatzung für das angegriffene Land mit sich bringt. Zerstörung, Mord, Vergewaltigungen, Plünderungen usw. Man kann den Horror des Krieges zwar leider täglich in den Nachrichten beobachten, aber für die meisten bleibt es doch immer „weit weg“.
Wenn in einem Kriegsgebiet also dringend jemand Waffen benötigt, um den Ausgang des Krieges zu verändern, dann ist das in erster Linie der Verteidiger. Denn es ist der Verteidiger, der sich diesen Krieg nicht ausgesucht hat, sich nicht oder nicht ausreichend vorbereitet hat oder vorbereiten konnte. Er agiert aus einer unterlegenen Position heraus und er ist es, der diese Lieferungen zum blanken Überleben benötigt. Man kann zwar pauschalisierend „keine Waffenlieferungen in Kriegsgebiete“ sagen, meint damit aber ganz gezielt und implizit „keine Waffenlieferungen an den Verteidiger“. Es ist nichts anderes, als eine verklausulierte Unterstützung des Angreifers. An Zynismus ist diese Forderung in etwa vergleichbar mit der Forderung „Kein Pfefferspray für Vergewaltigte“ oder „Freie Fahrt für Vergewaltiger“.
Diese „pazifistische“ Kernforderung ist genau das Gegenteil von dem, was sie zu sein vorgibt. Sie ist Zucker in den Ohren eines jeden expansionsfreudigen Machthabers. Die Kriegstreiber dieser Welt dürfen solchen „Pazifisten“ aus tiefstem Herzen für die Unterstützung ihrer Kriege und Kriegsplanungen dankbar sein!
Keine Waffen, größeres Leid
Begründet wird diese Forderung meist mit der naiven Annahme, dass der Krieg dann schneller zu Ende und damit weniger blutig sei. Auch das ist falsch. Der Krieg ist nicht weniger blutig. Er ist im Falle einer schnellen Niederlage des Verteidigers einfach nur genau so blutig, wie der Angreifer das möchte. Und das kann im Zweifelsfall, sehr, sehr blutig sein, wie die jüngere Geschichte so gezeigt hat. Millionen Tote in Gaskammern und Gulags sprechen eine unmissverständliche Sprache. Denn dass dem Angreifer Menschenleben weitgehend egal sind, hat er ja bereits damit bewiesen, dass er den Krieg begonnen hat. Es ist verständlich, dass man als angegriffenes Land dieses „Experiment“, sich auf die Gnade des Angreifers zu verlassen, um jeden Preis vermeiden möchte. Ganz besonders, wenn die Propaganda des Angreifers dem angegriffenen Land jegliche Daseinsberechtigung grundsätzlich abspricht und einen Völkermord förmlich ankündigt.
Auch in der Ukraine zeigt sich der Krieg gerade wieder von seiner hässlichsten Seite. Alleine im befreiten Kherson wurden bereits über 1000 Fälle von Folter durch die russischen Besatzer dokumentiert. Elektroschocks, Schläge, gebrochene Gliedmaßen, viele Gräber mit Exekutierten. Zivilisten mit Sack über dem Kopf an Bäumen aufgeknüpft. Kriegsgefangene wurden von Wagner bei lebendigem Leibe mit einem Paketmesser kastriert und ermordet. Oder in einem anderen Fall vor laufender Kamera auf dem Boden liegend mit einem Messer mit verstörender Brutalität enthauptet.
Die Bilder sind so schlimm, dass ich sie Ihnen wirklich nicht zumuten und daher nicht direkt auf diese Seite stellen möchte. Wer diese verstörende Barbarei jedoch nicht unbesehen glaubt und sich selbst überzeugen möchte, hat hier eine knappe Zusammenstellung. Ich empfehle jedoch ausdrücklich einen starken Magen!
Nach Wunsch der „Friedensbewegten“, die der Ukraine ja offenbar eine schnelle Niederlage wünschen, sollen sich also diese Mörderbanden in der ganzen Ukraine frei ausleben dürfen? Menschlicher Abschaum, verurteilte Mörder und Serienmörder frisch aus russischen Hochsicherheitsgefängnissen an die Front geworfen und an Bestialität noch nicht einmal mehr vom islamischen Staat übertroffen. Und das wäre dann „weniger blutig“? Ist das noch Zynismus oder bereits blanke Menschenverachtung?
Moskaus „nützliche Idioten“
Möchte man einen Krieg führen, ist es generell sehr nützlich, wenn die Nachbarländer sehr friedliebend sind und eine möglichst kleine, eigene Armee besitzen. Als expansionistisch ambitionierter Machthaber tut man gut daran, nach außen hin ein besonders friedfertiges Image zu pflegen und die Abrüstung im nahen Ausland nach Kräften zu unterstützen. Das senkt die Kosten für einen eigenen Überfall später ganz erheblich oder macht diesen überhaupt erst möglich. Für sich selbst gelten pazifistische Forderungen selbstverständlich nicht.
Die Ukraine wähnte sich 2014 umringt von Freunden. Man hatte die früher reichlich vorhandenen Atomwaffen an Russland verschenkt und das Militär anschließend bis in die Belanglosigkeit reduziert. Brav hat man auch in Europa nach dem Ende des Kalten Krieges den Großteil allen Kriegsgerätes verschrottet. Die deutsche Bundeswehr beispielsweise hat nun statt früher 2125 Leopard-2 Panzern gerade noch 212 im Bestand, davon gelten gerade einmal 130 als einsatzbereit.
Ganz Europa? Nein, ein „kleines“ Ländchen am Ostrand des Kontinents hat nicht abgerüstet. Ganz und gar nicht. Dort frönte man auch 30 Jahre nach Ende des kalten Krieges nach Kräften einem glorifizierten Militarismus und feiert diesen jährlich in großen Paraden. Mit über 4% des BIP hat dieses fröhliche Ländchen ein für europäische Standards auffällig hohes Militärbudget. Unter anderem besitzt es auch die weltweit mit Abstand größte Panzerflotte mit alleine rund 6500 aktiven Kampfpanzern. An Abrüstung ist gar nicht zu denken. Selbst Kriegsgerät, welches andernorts längst als museumsreif ausgemustert und verschrottet worden wäre, wurde und wird dort weiter in immensen Stückzahlen betriebsbereit gehalten.
Die Methoden des KGB der Zersetzung und Unterwanderung, vor denen schon KGB-Aussteiger wie Juri Bezmenov warnten, scheinen heute nahtlos fortgesetzt zu werden. In den USA nicht anders als in Deutschland und dem Rest von Europa. Man sucht sich oppositionelle Gruppen und Parteien und füttert diese parallel zur Meinung der jeweiligen Gruppe auch immer mit Moskauer Propaganda an. Völlig egal, ob diese Gruppe nun rechts, links oder anderweitig „oppositionell“ ist. Und da schließt sich plötzlich der Kreis zwischen Sahra Wagenknecht und der AfD wieder.
Vor diesem Hintergrund betrachtet, ist es sehr auffällig, dass die hiesigen „Friedensbewegten“ es noch nicht einmal schaffen, den Angreifer in diesem Krieg klar zu benennen. Im Vietnamkrieg gab es noch klare Forderungen a la „Ami go home“. Wo hört man von den „Friedensbewegten“ heute ein „Russia go home“ oder „Putin domoi“? Wo wird die Freilassung von russischen Friedensdemonstranten gefordert, die teils schon für das Zeigen eines weißen Blattes Papier verhaftet wurden?
Die „Friedensbewegten“ regen sich zwar über amerikanische Waffenlieferungen auf, aber nicht über die Lieferung iranischer Kamikazedrohnen an Russland. Und sie demonstrieren auch nicht vor der russischen Botschaft oder auf dem roten Platz, sondern überall sonst, Hauptsache nicht dort, wo der Hauptverursacher es mitbekommen könnte. Ist dieses offensichtliche Unvermögen der aktuellen „Friedensbewegung“ Zufall oder das Ergebnis geschickter Propaganda und Agitation des Angreifers? Das vorhersehbare Ergebnis einer breiten Unterwanderung des alternativen Medienspektrums, besonders deutlich z. B. im „Fall Lisa“?
Diese Frage möge sich jeder „Friedensbewegte“ gerne selbst beantworten. Erfahrungsgemäß ist es jedoch schwer, die eigene Täuschung zu erkennen und sich kritisch zu reflektieren. Selbstverständlich unterliegen immer nur andere der Propaganda, aber man selbst ist völlig immun. Schließlich hat man dem „Mainstream“ abgeschworen, man ist „erwacht“ und hat die einzige Wahrheit jetzt für sich gepachtet. Dass man anstatt zu erwachen einfach nur die eine Propaganda gegen eine andere getauscht und dieser nun gründlich auf den Leim gegangen ist – völlig ausgeschlossen!
Ich will mich hier übrigens nicht ausnehmen. Ich dachte schließlich auch einmal, dass man mit mehr gutem Willen, Wandel durch Handel etc. in Russland ein Zeichen für Völkerverständigung setzen könnte. Aber Krieg wird wohl auch in Zukunft für Russland einfach ein integraler Teil seiner Außenpolitik bleiben.
Blauhelme 2.0
Wie würde eine Forderung also besser formuliert sein, um tatsächlich nachhaltig für mehr Frieden zu sorgen? Denn natürlich reicht es nicht, Ländern Abrüstung predigen zu wollen, wenn man ihnen keine Lösung für Konflikte mit Nachbarländern anbietet, die Krieg als übliche Fortsetzung der Diplomatie betrachten.
Wie bereits erläutert, sorgt das Unterbinden von Unterstützung für ein angegriffenes Land dafür, dass ein Angriffskrieg planbarer und einfacher durchführbar wird. Dieser Gedanke lässt sich umkehren. Kann sich ein Land darauf verlassen, dass ihm im Falle eines Angriffes große Mengen an Soldaten und Kriegsgerät zur Seite stehen, wird ein möglicher Angriff auf dieses Land zu einem unkalkulierbaren Risiko. Dies ist auch die Kernidee hinter Allianzen wie der NATO. Das Risiko, sich im Falle eines Angriffs plötzlich einer großen Übermacht gegenüber zu sehen, geht kein Angreifer gerne ein.
Es liegt nahe, sich eine Art Blauhelmtruppe 2.0 unter dem Dach der Vereinten Nationen vorzustellen, die im Falle eines hypothetischen Angriffskrieges dem angegriffenen Land automatisch zeitnah und umfassend zur Seite steht. Sie soll also nicht nur Frieden „sichern“, sondern diesen notfalls auch „aktiv erzwingen“. Diese Truppe müsste dafür großzügig ausgestattet sein, sowohl personell als auch mit modernem Militärgerät, um das Risiko für potenzielle Angreifer unkalkulierbar zu machen. Sie sollte aktiv, vielleicht gar federführend und unmittelbar in die Kampfhandlungen eingreifen, nicht nur abwartend begleiten. Vielleicht könnte sie auch in Krisengebieten prophylaktisch stationiert werden.
Je umfassender und unmittelbarer das Eingreifen ist, desto glaubwürdiger wird die Abschreckung und desto weniger Einsätze wären zu bestreiten. Die Vereinten Nationen würden damit letztendlich um eine Art Verteidigungsbündnis ergänzt. Sobald dieser Mechanismus funktioniert und einzelnen Ländern glaubhaft zur Seite steht, reduziert dies im Gegenzug enorm den Bedarf an einem eigenen Militär.
Abrüstungsspirale
Eine zurückhaltende Politik, im Extremfall so zurückhaltend wie die Neutralität der Schweiz, keinerlei Waffen in Kriegsgebiete zu liefern, hat lediglich eine Konsequenz: Friedliche Länder müssen schmerzhaft lernen, dass man sich besser schon in Friedenszeiten massiv mit Kriegsgerät eindeckt. Rein prophylaktisch, damit man im Falle eines Angriffes nicht nackt dasteht. Je mehr sich friedliebende Länder aber auf internationale Unterstützung verlassen können, umso niedriger könnte der Friedensbestand an eigenem Militär ausfallen!
Die Rüstungsspirale zwischen konkurrierenden Ländern könnte enorm entschärft werden. Keiner muss mehr das größte Militär haben. Es reicht, wenn das eigene Militär plus die gesichert zur Verfügung stehende Unterstützung schlagkräftiger sind, als der Nachbar. Dies öffnet Spielräume für Abrüstungsverträge oder gar einseitige Abrüstung. Man kann die Spirale in die Gegenrichtung laufen lassen.
Ein Umdenken in Sachen Friedenspolitik ist also dringend nötig! Sowohl bei „Friedensbewegten“, als auch bei allen anderen, die das Thema Krieg und Frieden bisher vielleicht eher sozialromantisch betrachtet, aber nicht konsequent zu Ende gedacht haben.